Freitag, 11. Mai 2012

Lieder-Zirkus im Wohnzimmer: Interview mit Florian Horwath


Wie kam es dazu, dass dein neues Album  „Tonight“ (VÖ 18.05.2012) von „Element Of Crime“-Frontman Sven Regener co-produziert wurde?
Ich kenne Sven schon länger, und wir haben schon öfters zusammengearbeitet. Vor zwei Jahren war ich ja auch als Support-Act mit „Element Of Crime“ auf einer längeren Tour unterwegs. Wir haben auch schon einmal für einen Soundtrack etwas gemeinsam gemacht. Als er sich bereit erklärt hat „Tonight“ mitzuproduzieren, hatte er gleich einen guten Vorschlag parat: Wir das machen das einfach so, dass du mir jede Woche ein neues Lied per Mail schickst! Daran habe ich mich mit wenigen Ausnahmen auch gehalten. Manchmal waren es halt zwei Wochen, dafür hatte ich dann aber drei Lieder fertig. Dieser von Sven vorgegebene Arbeitsrythmus hat super funktioniert.

Wie ging es dann weiter?
Wir haben dann noch über die finanziellen Rahmenbedingungen geredet, und da die Plattenindustrie ja sowieso ziemlich im Eimer ist, haben wir uns gesagt, wir produzieren das neue Album so, dass wir im Zweifelsfall von niemanden Geld brauchen. Darum habe ich in Wien zuerst alles vorbereitet, und die richtigen Aufnahmen haben dann bei Sven zuhause in Berlin stattgefunden. Wir haben „Tonight“ gemeinsam produziert, und es wurde dann noch von Sven gemischt.

Was schätzt du an der Zusammenarbeit  mit Sven Regener?
Das Schöne ist, dass es bei Sven nie um irgendwelche Eitelkeiten oder irgendwas geht. Da kann´s auch mal vorkommen, dass viel aufgenommen wurde, aber wenn´s nicht passt, heißt es im nächsten Moment dann trotzdem wieder: DELETE!  Es geht immer um die Sache, das ist super. Wir wollten für diese Platte auch ganz einfache Arrangements, kein großes Brimborium, und auch da hat mich Sven total unterstützt. Er hat da eine sehr zielgerichtete, effiziente und schnörkellose Herangehensweise.

Manche Songs auf „Tonight“ sind wirklich sehr reduziert, klingen fast demo-mäßig. Aber das war also beabsichtigt?
Ja, ich habe die Songs in Wien so vorbereitet, obwohl da noch gar nicht klar, ob das die endgültige Form sein wird. Ich dachte, ich mach´s mal so, wie es mir richtig erscheint bzw. wo es mich gerade hinzieht. Es hätte dann in Berlin noch die Möglichkeit bestanden viel mehr aufzunehmen bzw. die Arrangements zu erweitern, aber letztendlich  haben  dann sowohl Sven als auch ich eher den Plan verfolgt, den Charme der Entwürfe zu bewahren. Wir haben schon Sachen ausprobiert, sind aber dann zu dem Schluss gekommen, dass in manchen Fällen möglicherweise der Entwurf besser war, als die anderen Versionen. Das Ganze hat aber nichts mit Home-Recording oder so zu tun, das ist nicht unser Ansatz. Es ist völlig egal, wo das entstanden ist, die Stilistik der Songs ist halt einfach so.

Was inspiriert dich zu deinen Songs?
Das ist ganz unterschiedlich. Für mich sind es eher Begegnungen mit Liedern, und nicht ein bewusster Prozess.  Diese Begegnungen finden in den unterschiedlichsten emotionalen Zuständen statt. Manche Sachen basieren wirklich auf konkreten Geschichten, wo ehe man´s sich versieht, ein Song daraus wächst. Trotzdem kriegt das dann trotzdem immer so eine Metaebene, wo ich das Gefühl habe, das es dann schon wieder um etwas anderes geht. Also der konkrete Anlass verflüchtigt sich wieder, oder es bleibt beim Konkreten. Manchmal sind es auch so atmosphärische Sachen. Das Lied „Drowning  For Your Love“ ist auf dem „Hurricane“ Open Air-Festival in Deutschland entstanden, wo ich zwei Tage war und dort auch gearbeitet habe. Gemeinsam mit einigen Freunden habe ich mir dort ganz spät in der Nacht den Auftritt von „Massive Attack“ angeschaut. Ich bin da eher neutral hingegangen, bin gar kein so großer Fan der Gruppe, aber es war dann ein tolles Konzert, mit extrem fetten Bässen und einer apokalyptischen Live-Show mit tollen Lichtern etc. Irgendwann ziemlich spät ist dann bei mir irgendetwas aufgetaucht, ich habe mich in so ein Dixie-Klo am Festival-Gelände eingesperrt und den Song geschrieben.

Du bist ja beruflich oft in Deutschland, zumeist in Berlin. Wie würdest die Unterschiede zwischen Berlin und Wien zusammenfassen?
Ich finde dass die Mechanismen in Wien ganz  anders sind als in Berlin, vor allem auf nonverbaler Ebene. Das merkt man relativ schnell, wenn man so wie als Westösterreicher aus Tirol nach Wien kommt. In Tirol sind die Leute sehr geradlinig, während das in Wien ganz anders ist. An das hatte ich mich mit der Zeit schon gewöhnt, und kam dann nach Berlin, wo´s wieder  völlig anders läuft, und die Leute eher sehr „straight“ sind.  Ich habe das Gefühl, dass es in Wien länger dauert, bis Dinge wachsen, was manchmal auch ein wenig ermüdend ist. „Hudeln“ gibt´s in Wien nicht, man lässt sich z.B. bei Projekten Zeit, während  es woanders schneller geht, aber dafür ist die Sache dann auch schneller wieder vorbei. So geht´s mir mit Wien. Berlin ist sehr erdig, gerade heraus, unbarmherzig, fordernd. Und weil es eine große Stadt ist, sind manche Probleme stärker ausgeprägt als bei uns. Die finanziellen Probleme der Kunstszene sind in Berlin z.B. viel ausgeprägter als in Wien. Mir scheint, bei uns war das vielen Leuten bis vor kurzem gar nicht so geläufig, dass es in diesem Bereich eine Krise gibt.

In der letzten Zeit hast du angefangen „Wohnzimmer“-Konzerte zu spielen. Warum?
Wenn man in einem Club auftritt, braucht das Ganze einen Vorlauf, es entstehen Kosten, man braucht eine Technik etc. Deswegen habe ich mir gedacht, mich würde sozusagen die „direkte“ Vermittlung der Musik interessieren. Was gibt es für einen schöneren Rahmen, als in einem Wohnzimmer aufzutreten? Ich spiele nicht überall, weil man für so einen Auftritt zum Gastgeber/Gastgeberin schon so eine Art Vertrauensverhältnis braucht. Aber gerade deswegen ist dann meistens eine ganz besondere Atmosphäre, und die Leute sind sehr aufmerksam. Es gibt keine PA, um die man sich kümmern muss, in punkto Kulinarik hat irgendjemand hat Brote zum Selbst-kostenpreis vorbereitet und wenn man das Ganze mit „freier Spende“ macht, geben die Leute auch wirklich was ins Körberl. Ich habe mit den Wohnzimmerkonzerten bis jetzt nur sehr positive Erfahrungen gemacht. Außerdem kommt das auch meiner derzeitigen Art von Live-Auftritten – also zumeist solo und dann kommen Gäste dazu – sehr entgegen.

Was darf man sich von deiner CD-Präsentation am 22.5. in der Garage X am Petersplatz erwarten?
Ich werde die Songs der neuen CD gemeinsam mit einigen Gästen live präsentieren.  Es werden u.a. Peter Lang und Hans Riener von der Linzer Band „Shy“, Manuel Rubey, Doris Schretzmayer dabei sein. Vielleicht kann ich auch eine befreundeten Fotografin überreden, dass Sie einen Song mit mir singt. Das Ganze  wird ein bisschen Zirkus-mäßig, aber hoffentlich lustig.

Hast du zum Schluss noch eine Tour-Anekdote von der gemeinsamen Zeit mit „Element Of Crime“ parat?
Da gibt’s keine großartigen Geschichten, aber was lustig war, ist das Sven uns öfters sehr gut über die kulturellen Sehenswürdigkeiten der Stadt in der wir gerade waren, informiert hat. Einer meiner Musiker, der Norweger Kyrre Kvam, und ich sind ja große Freunde des Wanderns, und wir sind dann öfters gemeinsam auf so eine kleine Stadt-Tour losgezogen. Sven kennt sich fast überall in Deutschland sehr gut aus und hat uns über die historischen Bezüge und andere wissenswerte Dinge sehr gut unterrichtet. Überhaupt war es eine tolle Tour. Das Publikum von „Element Of Crime“ war sehr freundlich zu mir, wir wurden überall gut aufgenommen, und haben auch einige CD´s verkauft. Damals habe ich ja auch regelmäßig in einem Blog für die „Süddeutsche Zeitung“ von dieser Tour berichtet.

Danke für das Gespräch!

(Robert Fischer)

CD Präsentation von „Tonight“:

Di 22.05. Garage X, Petersplatz um 20h


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Fotos: Sven Hoffmann